Lange habe ich gedacht, die sprachlichen Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland würden sich auf „Jänner“ anstelle von „Januar“ beschränken. Weit gefehlt! Man sollte gar nicht meinen, wie sehr sich „Ösis“ und „Piefkes“ doch sprachlich und kulturell voneinander unterscheiden.
Auf einem Hinweisschild in Innsbruck droht bei Parken auf Privatbesitz „Besitzstörungsklage“. Sie kann sogar erhoben werden, wenn man nachts auf einem Supermarktparkplatz parkt. In Deutschland gibt es diese Form der Klage nicht; man wird halt einfach abgeschleppt.
Aus einem österreichischen Vertragstext:
„aufscheinen“ = „erscheinen“
„Abfertigung“ = „Abfindung“
„über Wunsch“ = „auf Wunsch“
„Überrechnung“ = „Umbuchung“
„leistet Gewähr“ = „gewährleistet“
„Einlangen“ = „Eintreffen“
„konkurrenzierend“ = „konkurrierend“
Apropos, das österreichische Handelsregister ist das „Firmenbuch“.
Die Niederländerin (!) Ingeborg Lindhoud sagt in ihrem sehr interessanten Webinar zum Thema „Typisch Deutsch, typisch Österreichisch“, dass im Geschäftsverkehr bei den Österreichern die Beziehungsebene, die persönliche Sympathie, ausschlaggebend ist. Eine gute Atmosphäre ist wichtig und für die muss man sich Zeit nehmen, bevor es ans Geschäftliche geht. Konflikte und Kritik werden indirekt angesprochen, Gemütlichkeit und Humor sind Trumpf.
Titeln kommt noch eine hohe Bedeutung zu, weil politische Positionen und Verwaltungsposten bis Anfang des 20. Jahrhunderts von Adligen besetzt waren. Der richtige Gebrauch des Titels ist wichtig, um niemanden zu beleidigen.
Und Regeln werden hauptsächlich dann befolgt, wenn sie mit den eigenen Zielen übereinstimmen. Ansonsten ist der Umgang mit ihnen eher locker.
Dagegen stehen bei den Deutschen Werte wie Sachlichkeit, Verlässlichkeit, pünktliche Lieferung und Einhalten der getroffenen Absprachen im Vordergrund. Sympathie ist keine Voraussetzung für eine gute Geschäftsbeziehung. Kritik wird offen geübt, weil die offene Kommunikation als zielführend und effizient betrachtet wird. Sie gilt als Wertschätzung eines Gegenübers auf Augenhöhe. Vom österreichischen Gegenüber wird sie allerdings oft als undiplomatisch und unhöflich betrachtet.
Was sicher am meisten erstaunt, wenn man glaubt, dass beide Länder eine gemeinsame Sprache verbindet: In Österreich wird praktisch überall Dialekt gesprochen und Dialekte werden auch in der Schriftsprache verwendet. Hochdeutsch ist eine in der Schule erlernte Sprache. Sie wird als fremd empfunden und mancher fühlt sich sogar etwas lächerlich, wenn er hochdeutsch spricht. Es ist also absolut nicht so, dass unsere Nachbarn und wir eine gemeinsame Sprache haben.
Daraufhin habe ich meinen Freund Hans, gebürtiger Tiroler, aber seit gut 20 Jahren „eingewienert“, nach seinen Erfahrungen befragt. Dass Österreicher mehr auf die Beziehungsebene und Deutsche mehr auf die Sachebene achten, sei ganz eindeutig, meinte er. Da habe er schon viel Frust auf beiden Seiten erlebt.
Wie immer kann man nicht alle über einen Kamm scheren, und auch regionale Unterschiede spielen sicher eine Rolle. Aber sind für die Zusammenarbeit ein persönliches Wort oder ein Scherz ab und zu nicht viel netter und auch hilfreicher?!
22. Juli 2016
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